Jochen Gerz. 2146 Steine - Mahnmal gegen Rassismus

 

Ausstellungsbeitrag im Rahmen von Andere Orte. Öffentliche Räume und Kunst

 

Von April 1990 bis Mai 1993 wurde auf Initiative von Jochen Gerz und Studenten der Hochschule der Bildenden Künste Saar (Martin Blanke, Christian H. Cordes, Yvonne de Grazia, Jens Freitag, Daniel Funke, Beate Miller, Gabi Raddau, Isabel Reichert) auf dem Saarbrücker Schlossplatz ein Mahnmal gegen Rassismus realisiert.

Alle 66 jüdischen Gemeinden in Deutschland - zu Beginn des Projekts waren es noch die Gemeinden der Bundesrepublik und der DDR - wurden eingeladen, die Listen ihrer Friedhöfe zur Verfügung zu stellen, auf denen bis zur nationalsozialistischen Diktatur bestattet wurde. Auf diese Weise wurde die bisher umfangreichste Liste jüdischer Friedhöfe in Deutschland zusammengetragen.

Im Sommer 1990 begann die Studentengruppe, nachts, ohne Auftrag und Autorisierung, Steine aus der gepflasterten Auffahrt zum Schloss zu entfernen und gegen Ersatzsteine auszutauschen. Auf die Unterseite jedes entfernten Steins wurde jeweils der Name eines Friedhofs eingemeisselt. Die Steine wurden danach wieder heimlich an ihre alte Stelle eingesetzt. Die ersten 24 Steine tragen die Namen der von der jüdischen Gemeinde Saar genannten Friedhöfe im Saarland.

Am 18. August 1991 wurde über das unsichtbare Mahnmal von den Abgeordneten des Stadtverbands Saarbrücken im Schloss, dem ehemaligen Sitz der Gestapo, abgestimmt und seine Realisierung beschlossen. Die Zahl der von den jüdischen Gemeinden genannten Friedhöfe wuchs bis Herbst 1992 auf 2146. Sie gab dem Mahnmal den Namen: 2146 Steine - Mahnmal gegen Rassismus Saarbrücken. In zwei Bauabschnitten wurden die beschrifteten Steine wieder ins Pflaster eingesetzt. Sie befinden sich seither, unsichtbar für den Betrachter, im Pflaster der Auffahrt als ein Mahnmal gegen Rassismus und geben zugleich Zeugnis von der unfassbaren Barbarei, die im Namen einer Kulturnation begangen wurde.

Am 23. Mai 1993 wurde das Mahnmal gegen Rassismus von Ministerpräsident Oskar Lafontaine, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, und dem Präsidenten des Stadtverbandes Saarbrücken, Karl-Heinz Trautmann, der Öffentlichkeit übergeben. Dabei wurden die Schilder zum Platz des unsichtbaren Mahnmals auf dem Schlossplatz enthüllt.

Der Stadtverband publizierte ein Buch mit der vollständigen Liste der jüdischen Friedhöfe in Deutschland als Dank der Stadt und des Landes an alle Gemeinden.

 

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