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exex_2004/akademie/presse

Der Klick beim Blick
Visuelles Porträt der Schule für Gestaltung im Projektraum exex

Der Projektraum exex bietet im Gefäss exex-Akademie Raum für Präsentationen. Nachdem im Februar die Zürcher Kunstschule F+F zu Gast war, bekommt nun die Schule für Gestaltung ein Schaufenster.

 

Daniel Klingenberg

 

«Es muss beim Betrachter sofort Klick machen», antwortet Hannes Friedli, Studienleiter Höhere Fachschule für Gestaltung, auf die Frage, was gute Gestalterarbeit leisten soll. Denn: «Wir leben in einer Zeit der Reizüberflutung. Das hat zur Folge, dass die meisten Menschen nur noch kurze Zeit hinschauen. Wenn sie das, was sie sehen, nicht fesselt, sind sie weg.» Eine Hauptaufgabe der Ausbildung sei deshalb die Reduktion auf das Wesentliche - gleichzeitig aber auch, mit etwas aufzufallen.

 

Toblerone für Tischtennisbälle

Was das heissen kann, zeigt die 20-jährige Rahel Naef aus dem 2. Ausbildungsjahr der Fachklasse Gestaltung am Beispiel einer Verpackung für Tischtennisbälle. Statt diese - wie üblich - in einer Schachtel zu «verstecken», werden die Bälle in einen dreieckigen Karton in dafür vorgesehene Öffnungen gedrückt, einer Art Toblerone. Mit einem einfachen Handgriff kann die Verpackung geöffnet werden. Als Blickfang, die Funktion und die «Stimmung» des Produkts aufnehmend, sind Flugbahnen der Bälle aufgedruckt. Die Anforderungen werden deutlich: Einerseits muss die Verpackung überraschend sein, andererseits aber auch funktional und in diesem Fall den Anforderungen der Massenproduktion genügend. Die Fachklasse Gestalter ist aber nur eine der Ausbildungen an der Schule für Gestaltung (siehe Kasten) - wenngleich wohl die begehrteste. Warum ist dies so? Nochmals Friedli: «Für viele junge Menschen ist der Gestalter - die frühere Grafikfachklasse - so etwas wie ein Traumberuf. Es haftet ihm etwas Kreativ-Künstlerisches an, was in unserer Gesellschaft zweifellos ein positives Image hat.» Der Weg in die drei Jahre dauernde Fachklasse ist allerdings nicht ganz einfach. In der Regel führt er über den einjährigen gestalterischen Vorkurs - von 300 Anmeldungen besteht jeder fünfte die Aufnahmeprüfung. Danach wird nochmals «gesiebt»: Jeweils 12 Schüler werden in die Fachklasse Gestalter mit drei Jahren Ausbildungsdauer aufgenommen.

 

Sprechende Tasche

Das Porträt der Schule ist - beim hohen Stellenwert des Visuellen durchaus einleuchtend - auf Sichtbarem aufgebaut. Unmittelbar beim Eingang findet sich ein Tisch mit vielerlei Objekten aus den verschiedenen Ausbildungen - von der Fotolampe mit 3000 Watt über zeichnerische Entwürfe des menschlichen Körpers bis zu Steinbearbeitungen. Im hinteren Teil des Raumes läuft ein zwölfminütiger Film über die Schule - Drehzeit drei Monate. Dazwischen finden sich konkrete Projekte, einsehbar auf insgesamt vier Bildschirmen: Unterhaltsame Videos wie eine sprechende Tasche oder animierter Tischfussball zeugen von Kreativität, ein interaktiver Lehrgang über gotischen Baustil von einer pädagogischen Ader. Eine eingescannte und digital bearbeitete Landkarte von Costa Rica stellt das Grundmaterial für verschiedenste Werbekampagnen zur Verfügung.

 

Tugend der Unzufriedenheit

Friedli hat vor Jahren selber die Fachklasse besucht - was braucht es, um ein guter Gestalter zu werden? «Man braucht ein kreatives Talent - und man darf nicht zu schnell zufrieden sein mit sich selber.»

 

 

Stichwort. 500 Lehrlinge

Die Schule für Gestaltung an der Demutstrasse 115 gliedert sich in die Ausbildungsbereiche Lehrlingsklassen, Brückenangebot, Fachklasse Gestalter und berufliche Weiterbildung. In den Lehrlingsklassen erhalten zehn Berufe ihren schulischen Unterricht, nämlich die angehenden Dekorationsgestalter, Drucktechnologen, Fotofachangestellten, Fotolaboranten, Gold- und Silberschmiede, Grafiker, Polygrafen, Steinbildhauer, Steinmetze und Steinhauer - insgesamt rund 500 Schüler. Das Brückenangebot des gestalterischen Vorkurses besuchen derzeit 54 Jugendliche. Alle drei Jahrgänge der Fachklasse Gestalter, in welcher die Schule für Gestaltung Lehrmeister ist, haben 36 Mitglieder. In den verschiedenen beruflichen Weiterbildungen wie Visuelle Gestalter, Typografische Gestalter und verschiedene Vorbereitungen für höhere Fachprüfungen kommen nochmals rund 500 Personen dazu. Der gesamte Lehrkörper umfasst rund 100 Personen.

 

Aus dem ST.GALLER TAGBLATT vom Donnerstag, 1. Juli 2004