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exex_2005/exex.change nr. 4/presse

Den Sternenhimmel zu Füssen
Stimmungsvolle Licht-Installation von Aleksandra Signer im Projektraum exex

Mit Taschenlampen projiziert Aleksandra Signer gezeichnete Alltagseindrücke auf den Fussboden und legt uns einen Sternenhimmel zu Füssen. Mit ihrer Installation im Projektraum exex endet die dreiteilige Reihe «Ich weiss, wo dein Haus wohnt».

 

Christina Weder

 

Der Raum im exex versinkt im Dunkeln. Wie Sterne übersäen kleine Lichtkreise den Fussboden. Die Quellen des Lichts sind 18 Taschenlampen, die von der Decke hängen und Filzstiftzeichnungen auf den Boden projizieren. Tritt man näher, erkennt man in den Lichtkreisen Alltagsszenen: Eine Begegung, ein Regenguss, ein Nachtessen in Einsamkeit. So schreitet man von Lampe zu Lampe, greift sich eine davon, schwenkt den Lichtstrahl im Raum, richtet ihn an Decke oder Wandpfeiler. Dort zeichnet sich das Bild kleiner oder grösser ab und verliert mit zunehmender Streuung des Lichts an Schärfe.

 

Alltagsgeschichten

Schritt für Schritt ist man den Bildern auf der Spur und fügt sie zur beliebigen Geschichte: Einer liest, eine bettelt, sitzt, isst, macht sich schön. Es sind Situationen, die jeder kennt - tausendfach gesehen und gelebt. Eine Strasse verliert sich am Horizont, zwei leere Stühle stehen sich gegenüber, auf der Kommode thront der Fernsehapparat, daneben stehen die Pantoffeln bereit. «Jeder soll sich dazu seine eigene Geschichte ausdenken», sagt Aleksandra Signer, «jeder hat das Recht, etwas anderes darin zu sehen.» Hinter den Zeichnungen steckt aber auch ihre persönliche Geschichte. Aleksandra Signer zeichnet aus dem Gedächtnis. Mit einfachen, fast kindlichen Strichen hält sie ihre Erinnerungen und Eindrücke fest und gibt sie prägnant wieder: Die Bettlerin hat sie vor wenigen Tagen in Venedig gesehen. Beim Kanufahrer blitzt der Gedanke an den Künstler-Ehemann durch den Kopf, wie auch beim Mann mit Pistole: Ist das Roman Signer in Aktion? Zielt er auf ein Fass oder setzt er eine Explosion in Gang? Nein, diesmal nicht. «Ich schaue mir einfach gerne Krimis an», erzählt die Künstlerin. Auch die Frau mit schwarzer Perücke, die auf ihrem Gepäck am Strassenrand sitzt, ist eine Begegnung aus der Stadt. Sie wird wohl einigen bekannt vorkommen. Und die im Wasser watenden Personen wecken schliesslich - wie auch das Haus, das in den Fluten versinkt - Erinnerungen an die Ereignisse des vergangenen Sommers.

 

Faszination des Augenblicks

Einfach sind die Mittel dieser Licht-Installation, gross ist ihre Wirkung. Die Idee dazu hatte Aleksandra Signer, die bisher mit Videoarbeiten hervorgetreten ist, schon lange. Mit diesem einfachen Projektionsapparat aus Taschenlampen kehrt sie «zum Ursprung» zurück, wie sie sagt, vom Bilderfluss zum Standbild, von der Videoaufnahme zur Zeichnung. Und wieder fällt in ihrem Schaffen die Leichtigkeit der Inszenierung auf, der Sinn fürs Alltägliche und die Faszination fürs Ephemere, fürs Licht. Für einen Augenblick wird der Raum im exex fast unmerklich erhellt. Der Scheinwerfer eines Autos schweift über den Wandpfeiler. Aleksandra Signer entgeht es nicht. Solche Phänomene interessieren sie, wenn ein Schatten vorbeihuscht, wenn die Sonne sich auf der Wand des fahrenden Zuges reflektiert oder wenn ein Lichtstrahl wie im exex auf den Boden fällt. Sie erhascht den Augenblick, hält das Flüchtige, oft kaum Beachtete fest. Mit Aleksandra Signers Licht-Installation schliesst die dreiteilige Ausstellungsreihe «Ich weiss wo dein Haus wohnt». In ihrem Verlauf machte der Projektraum exex drei Wandlungen durch: Zuerst beherbergte er das Studio-Häuschen «Balkan TV» von Andreas Helbling und Zeljka Marusic. Dann wandelte er sich unter den Händen von Karin Bühler zur grünen Oase mit Schaukel und Hörerlebnis. Nun lösen sich seine Konturen in der Dunkelheit auf. Die Besucher und Besucherinnen tappen zwischen Lichtflecken auf den Spuren der Alltagsbilder von Aleksandra Signer. Dreimal Installationskunst sorgte für drei ganz unterschiedliche Raumerlebnisse. Am nächsten Sonntag blicken Andreas Helbling, Zeljka Marusic, Karin Bühler und Aleksandra Signer an der exex-Matinee zurück und diskutieren über ihre Erfahrungen mit Installationskunst.

 

Aus dem ST.GALLER TAGBLATT vom Mittwoch, 5. Oktober 2005