pool position #04.

Corinne Schatz. Einführung in das Projekt «Räume mit Aussicht».

Wenn Sie die Einladungskarte zu pool position #04 betrachtet haben und sie mit dem realen Ausblick vergleichen, dann merken Sie schon, dass wir uns mit der neuen Präsentation im exex vor allem Eines wünschen: schöne Aussichten.
Der Projektraum exex ist ein noch junges Gefährt in den Gewässern etablierter und alternativer Kunsträume. Hinter der Idee, einmal nicht Kunstschaffende sondern andere Kunsträume einzuladen, die ebenfalls mehrheitlich von Kunstschaffenden (mit-)geleitet werden, stand in erster Linie der Wunsch, Kontakte zu knüpfen und, als Fernziel, als Aussicht eben, mögliche Synergien zu finden oder zu entwickeln.

Wiederum ist die Ausstellung im exex aber auch offenen Fragestellungen gewidmet, im besten Falle bestehen Aussichten, darauf im Gedankenaustausch mit den Beteiligten einige Antworten zu finden.

Diese Fragen sind unter anderen:
Wieso gibt es neben den unzähligen Museen, Kunsthallen, Galerien und anderen Ausstellungsorten so viele Projekträume, die zu einem grossen Teil von Kunstschaffenden im Alleingang oder in Kooperation mit Kunstvermittler/innen geführt werden?
Wie kommt es, dass Künstler und Künstlerinnen sich als Kurator/innen betätigen, und - sind es tatsächlich immer mehr - oder gibt es dies schon länger?
Ist es vielleicht so, dass neue Formen der Kunstpräsentation nicht von Ausstellungsmachern/Kurator/innen sondern von Künstler/innen selbst entwickelt werden?

Weshalb suchen aber auch Kurator/innen und Kunstvermittler/innen ausserhalb der zahlreichen Institutionen verschiedenster Struktur immer wieder nach Alternativen, nach neuen Formen der Präsentation und Diskussion von und über Kunst? Suchen aber auch die Kooperation mit Kunstschaffenden in eben diesem Feld?

Festzustellen ist z.B., dass es seit einiger Zeit «Mode» ist, dass Museen, Kunsthallen und andere Institutionen den Künstler/innen das Kuratieren überlassen, und zwar nicht nur bei der Präsentation ihres eigenen Schaffens, sondern auch im weiteren Sinne, als Gastgeber/innen für andere Kunstschaffende.

Andererseits hat sich in den 80er Jahren eine Art Geniekult bei den Ausstellungsmachern entwickelt, vorangetrieben vielleicht durch den Ruf Harald Szeemanns. Sodass man heute manchmal den Eindruck erhält, es werde bei der kleinsten Präsentation bereits der Name eines/r KuratorsIn aufgeführt.

Aber auch dies: sind es nicht schon sehr lange die Künstler/innen selbst, die am Ursprung neuer Institutionen stehen? Geht diese Tradition nicht bis ins 19.Jh zurück, als sich die Schere zwischen der etablierten Kunst der Akademien und ihrer offiziellen Salons und der Avant Garde immer weiter öffnete, und sich die Künstler in Gruppen zu organisieren begannen, um ihre Werke in selbst organisierten Ausstellungen zu zeigen? War nicht schon Kandinsky ein Künstler, der sich ebenso sehr als Vermittler und Kurator betätigte wie als bildender Künstler? Oder hat nicht Marcel Duchamp mit seinen Inszenierungen der Surrealistenausstellungen ein ganz neues Modell für die Gesamt-Gestaltung von Ausstellungen geschaffen? Ganz zu schweigen von den letzten drei bis vier Jahrzehnten, die von einer stetigen Auseinandersetzung der Kunst mit den realen, geistigen und sozialen Räumen ihrer Präsentation und ihrer Präsenz geprägt waren. Kunstvereine, Kunsthallen, Produzentengalerien etc. sind häufig aus Künstlerkreisen entstanden. In St.Gallen entstand vor bald 20 Jahren die Kunsthalle, welche in den ersten 8 Jahren von einem Kollektiv aus Künstler/innen und Kunsthistoriker/innen, Journalisten und Kunstinteressierten geleitet wurde - um nur ein nahes Beispiel unter unzähligen zu nennen.

 

Einige mögliche Ansätze für einige mögliche Antworten - die sich hoffentlich im Laufe der Diskussionen und Gespräche klären und präzisieren werden.

1.
Bei den kuratierenden Künstler/innen scheint es sich offenbar um eine Kategorie von Persönlichkeiten zu handeln, die über ihre eigene künstlerische Tätigkeit im Atelier hinaus nicht nur den Kontakt und den gedanklichen Austausch mit Kolleg/innen suchen, sondern die das Bedürfnis haben, diesem Austausch, dieser Vernetzung auch eine nach Aussen sichtbare Form, einen «Raum», zu geben und die Diskussionen und Erkenntnisse in die Öffentlichkeit hinaus zu tragen, resp. diese daran zu beteiligen.

2.
Das Werk der Künstler/innen selbst kann als Thema, als Inhalt, als Ziel die Auseinandersetzung mit dem Umfeld, dem System, den politischen, kulturellen, gesellschaftlichen, räumlichen Bedingungen beinhalten, in denen sich Kunst entwickelt. In diesen Projekten sind die Grenzen zwischen Kunst und Kunstvermittlung oft fliessend. Hierzu könnte man sicherlich die Hasena und das Haus am Gern zählen.

3.
Eine Parallele, die sich durch viele der Begründungen, Beschreibungen, Absichtserklärungen von Projekträumen zieht, ist, dass neue Formen der Kommunikation über Kunst, zwischen Künstler/innen untereinander, mit den Kunstvermittler/innen/Kurator/innen und mit dem Publikum, aber auch neue Formen der räumlichen Präsentation von Kunst, der äusseren Bedingungen, in denen Kunst gezeigt und reflektiert wird, gesucht werden. Bezeichnend für die hier präsentierten Projekte ist, dass viele von ihnen sich im ganz oder halb privaten Raum der Organisator/innen befinden, z.B. K3 oder roentgenraum, oder sich in unscheinbaren Nischen festsetzen, z.B. die Vitrinen von KiK und planet 22, und meist mit low bis zu no budgets gearbeitet wird. Die Projekte mäandern an den Rändern zwischen Produktion und Präsentation, zwischen Atelier/Labor und Ausstellungsraum, zwischen realen und imaginären Räumen.

Wie vielfältig die Konstellationen sein können, beweisen die hier präsentierten Räume.
Wobei der Begriff «Raum» in diesem Falle sehr weit gefasst werden darf.
So gibt es langjährige Projekte, die keinen fixen Raum haben (Hasena, Haus am Gern), andere bespielen eine kleine Vitrine über einem Hauseingang (planet 22) oder gehen gar mit einer faltbaren Kunsthalle im Aktenkoffer (Mark Staff Brandl) auf Reisen.

Auch in der Struktur der Tätigkeitsfelder, die in die Projekte integriert sind, gibt es eine grosse Vielfalt, über die Verknüpfung von bildender Kunst, Musik, Performance, Literatur (zahlreiche Teilnehmende, wie Tangente, Hasena, Kasko, KiK, K3, Aktionsraum 3e étage, Schichtwechsel, Haus am Gern, roentgenraum u.a.), oder dem Archiv der Basler Kunstschaffenden im Kasko, bis zum Angebot professioneller Unterstützung im Bereich audiovisueller Medien (Tweaklab).

Allen gemeinsam ist, dass sie vor dem Hintergrund der Diskussionen über Themen wie Kunst und Kontext, Kunst und öffentlicher und/oder privater Raum, Kunst und Urbanität, Kunst und Publikum, Kunst und Kunstvermittlung, etc. einerseits Thesen aus diesen Diskussionen, Theorien nicht nur aus der Kunst selbst sondern auch aus der Soziologie, Urbanistik, Politik usw. und die Rolle des Kunstschaffenden in diesen verschiedenen Systemen und Hintergründen reflektieren, andererseits nach neuen Modellen suchen und experimentieren. So greifen tiefgründige Fragestellungen und spielerische Experimentierlust ineinander.

 

Es würde den Rahmen dieser Ansprache sprengen, wenn ich Ihnen nun ausführlich die beteiligten Projekte vorstellen wollte. Ich möchte Sie einerseits auf die Schlussveranstaltung am Freitag 19. September hinweisen, wenn zahlreiche Projektleiter/innen ihre Räume und Projekte selber präsentieren werden.
Andererseits verweise ich auf Präsentationen im Raum, die Dokumentationen und die Webseiten, die Sie auch in der Ausstellung besichtigen können.

Einige Worte zu denjenigen Räumen in der Ausstellung, die über keine Webseite verfügen:
> Aktionsraum 3e étage, Grenchen
Gegründet mit dem Solothurner Künstler Heinrich Bürkli und geleitet von Anna Bürkli, Studentin der Kunstgeschichte. Ausstellungsraum in ehemaliger Fabrik seit 1998. Ziel, Künstler/innen v.a. aus der Region eine Plattform für die Realisierung eigener Projekte zu bieten. Seit 2 Jahren kuratiert Anna Bürkli mehrheitlich selbst die Projekte, wobei sie in häufig thematisch geprägter, jedoch über die engere Kunstdiskussion und -thematik und monografische Ausstellungen hinausgreifender Form die Zusammenarbeit mit den beteiligten Künstler/innen sucht. Z.B. in diesem Jahr: Feuerstellen - Kochen und Essen und Kunst, mit allen bisher in Ausstellungen präsentierten Künstler/innen. Performances und andere Events gehören zum Programm, diese werden häufig als Grenzübergänge zu anderen Sparten eingesetzt. Eine besondere Form wird auch für die Dokumentation gewählt: mit Etiketten auf selbst abgefülltem Barbera. Geplant ist nun ein Umzug in private Räume in Solothurn.

> Garage, Zürich
Wird von HGKZ Student/innen, Anina Schenker u.a., bespielt, z.T. mit eigenen Arbeiten und Projekten z.T. mit Gästen, für Ausstellungen, Aktionen, Performances, Konzerten, und künstlerischen Festivitäten aller Art.

> Schichtwechsel, Schaan
Verein für Kunst und Kommunikation. Befindet sich nach eigenen Worten zur Zeit in einer Umbruchsphase, während der neue Zielformulierungen, neue aktive Mitglieder, neue Örtlichkeiten gesucht werden.

> special guest: The Collapsible Kunsthalle
Zusammenklappbare Kunsthalle im Aktenkoffer mit speziell angefertigten Werkbeiträgen von Künstler/innen aus aller Welt. Es sollen in Zukunft Wechselausstellungen darin stattfinden.

Die weiteren Projekte haben zum Teil ausgezeichnete Homepages, die zu besuchen sich sicher lohnt:
> f+f: www.ffzh.ch
> hasena: www.diehasena.ch
> haus am gern: www.hausamgern.ch
> kaskadenkondensator: www.kasko.ch
> kunst im kasten: www.kikfn.de
> k3 project space: www.k3zh.ch
> planet22: www.planet22.net
> roentgenraum.ch: www.roentgenraum.ch
> tangente: www.tangente.li
> bei tweaklab: www.tweaklab.org/Tweak.html

 

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Corinne Schatz am 21. August 2003 im Projektraum exex bei der Einführung ins Projekt «Räume mit Aussicht ».