pool position #04.

Ursula Badrutt Schoch. Kollaborationen bis zum Kollaps.
Der Projektraum exex hält Ausschau und findet seinesgleichen, aber anders.

«Räume mit Aussicht» titeln die Betreiber des Projektraums exex die «pool position 04». Ein künstlergeführter Kunstraum zeigt statt Kunst andere künstlergeführte Kunsträume. Und fördert damit den Austausch und Vernetzungsrausch.

Museen, Kunsthallen, Galerien und andere Räume für Kunst gibt es viele, besonders in der Schweiz. Manche meinen zu viele. Neben den grossen, teuren, edlen, viel beachteten und oft privaten Kunsträumen gibt es auch die Kleinen, Ungewohnten, Kreativen und auf dem Markt nicht auffindbaren, die irgendwo auftauchen, irgendwann meist wieder verschwinden, und als unkonventionelle Nischen ganz Wesentliches zur Bereicherung der Landschaft beitragen. Der Projektraum exex am Oberen Graben gehört zu dieser Gruppe der so genannten Off-Räume, die als nicht institutionalisierte Orte für Kultur in experimentierender Offenheit nach neuen Möglichkeiten der Vermittlung von Kultur suchen. Zum Beispiel als Gastgeber anderer nicht institutionalisierter Orte der Vermittlung. In dieser Quadratur der Vernetzung liegt der Sinn des Anlasses. «Gerade die kleinen Räume sind auf ein funktionierendes Netz angewiesen, das persönliche Kontakteknüpfen ist dabei ein wichtig Teil», betont exex-Mitbetreiber und Künstler Matthias Kuhn. Das Team um den St. Galler Projektraum hat an die 40 Kunsträume angeschrieben und daraus rund 15 Austauschinteressierte zur Präsentation eingeladen.

 

Vielfältige Profile

Die Vielfalt der Profile ist bei allen Parallelen enorm. Von der aktenkoffergrossen Kunsthalle (Mark Staff Brandls Collapsible Kunsthalle) bis zum 200-m2-Raum (k3 in Zürich) oder den Raum als Performance (Haus am Gern), vom Frischling (exex) bis zur alten Dame (Kaskadenkondensator in Basel oder die Hasena in Dalvazza), von der Privatwohnung (Röntgenraum Zürich) bis zum Schaufenster (Kunst im Kasten Friedrichshafen) - die Räume sind so unterschiedlich wie ihre Betreiberinnen und Betreiber. «Gerade die Szene in Zürich ist ziemlich kommerzialisiert. Da reizt der Underground», sagt Sandi Paucic vom K3 Project Space im Zürcher Maag-Areal. «Das nicht gewinnorientierte Denken bewirkt eine klimatische Entspannung. Die Stubenatmosphäre ist hier ein Bedürfnis.» Auf den Austausch mit England spezialisiert, veranstalten er und Clare Goodwin eventartige Ausstellungen als Diskussionsplattform auf no- statt low-budget-Ebene. So haben sich Andreas Dobler, Christian Vetter oder der Architekt Sergej Klammer schon in den grosszügigen Räume präsentiert, oder eine Kollaboration mit den Gebrüdern Freitag brachte taschenweise Londoner Kunstschaffende nach Zürich.

 

Hautkontakt

Stubenatmosphäre herrscht auch im Röntgenraum. Peter Stohler lädt seit bald vier Jahren und demnächst zum letzten Mal in dieser Art zu Rauminterventionen und Vorträgen in seine 45 m2 grosse 1-Zimmer-Wohnung ein. Kunst und Leben in den eigenen vier Wänden zusammenfallen und öffentlich werden lassen, das ist seine Motivation. Obwohl nur im Mundzumundverfahren und einem Mailing-Versand bekannt gemacht, sind die Anlässe im Röntgenraum gleich gut wie durchschnittliche Museumsausstellungen besucht. Dass es bei diesen Grössenrelationen zu Hautkontakt kommt, versteht sich. Aber auch im übertragenen Sinne ist Hautkontakt, die unmittelbare Nähe zwischen Künstlerinnen und Künstlern, Vermittelnden und Publikum, das grosse Plus der Artist-run Spaces. Obwohl in erster Linie als dokumentarische Präsentation und Offerte zum Kennenlernen gedacht, haben die «Räume mit Aussicht» auch visuell greifbar im exex-Raum Zimmer bezogen. K3 kommt mit einer Rückblicktapete, planet 22 mit einem 1:1-Modell-Mobile, die Hasena aus Dalvazza bei Küblis mit einem hölzernen Satelliten und einer Bodenmarkierung aus dem jüngsten Projekt: «Eine Invasion ohne Vorsätze» hat sich mitten im optisch und inhaltlich dicht bevölkerten Raum positioniert. Das alles ist symptomatisch für die Artist-run Spaces. Als Schnittstellen zwischen dem Raum als Kunstwerk und als Gefäss für Kunst, zwischen Ort der Vermittlung und Ort der Veranstaltung steht das sinnliche Erleben auch in der Eigenpräsentation im Vordergrund. Eine Invasion mit Eindrücken und Ausblicken.

 

ST.GALLER TAGBLATT vom Mittwoch, 27. August 2003.

 

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