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exex_2005/exex.change nr. 2/presse

PH-Power-Promo

Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia (PH) markiert Präsenz im exex St. Gallen: Mit einer Einladung zur Eröffnung der «Echanges»-Ausstellung von Jérémie Gindre. Pius Knüsel und Rudolf Velhagen über die Zukunft von Pro Helvetia.

 

Ursula Badrutt Schoch

 

Was macht das Projekt «Echanges» für die Pro Helvetia unterstützungswürdig?

Rudolf Velhagen: Es gehört zum Auftrag der Pro Helvetia, den Austausch zwischen den Sprachgebieten und Kulturen in der Schweiz zu fördern. Deshalb genoss «Echanges», das 1999 vom Schweizerischen Kunstverein initiiert wurde, von Anfang an unsere Aufmerksamkeit. Dass La Chaux-de-Fonds und St. Gallen miteinander kommunizieren, muss von aussen angestossen werden.

Die Regionen über die Kunst zu verbinden, ist auch eine der Hauptaufgaben des Kunstvereins. Eine Aufgabenüberschneidung?

Pius Knüsel: Nein, im Gegenteil. Der Kunstverein ist der Partner für uns, der für die professionelle Durchführung sorgt. «Echanges» ist kein PH-Projekt im engeren Sinne. Unsere eigenen Projekte sind Raritäten. Auf 4000 Projekte, die wir unterstützen, kommen nur sechs eigene. Velhagen: Auch die eigenen Projekte wie «Swixx», ein Projekt zum Verhältnis von Kultur und Migration, oder «Reprocessing Reality», wo es um den Dialog zwischen Dokumentarfilm und visueller Kunst geht, werden in Zusammenarbeit mit professionellen Partnern ausgeführt.

Was ist der Unterschied zwischen dem Eigenprodukt «Swixx» und dem von der PH unterstützten Fremdprodukt «Echanges»?

Knüsel: «Echanges» baut Brücken zwischen den vier Sprachregionen. «Swixx» hingegen wird der Tatsache gerecht, dass es mehr als vier Kulturen in der Schweiz gibt, dass zum Beispiel mehr serbischsprachige Menschen im Land wohnen als rätoromanische.

Austausch zwischen den Disziplinen ist ein künstlerisches Phänomen, Austausch zwischen den Kulturen ein politisches. Die Förderung von Austausch auf allen Ebenen ist unsere Aufgabe.

Wird mit «Swixx» die eigentliche Aufgabe, nämlich Schweizer Kultur zu fördern, aufgebrochen?

Knüsel: Wir sind verpflichtet, schweizerische Kultur zu fördern. Wir stehen also jeden Tag vor der Frage: «Was ist denn Schweizer Kultur?» - «Was konsumieren die Schweizer an Kultur?» Solche Basisphänomene beschäftigen uns sehr. Die Förderung muss sich nach der Realität richten. Sie muss nicht die Realität gestalten und zurechtbiegen, damit sie zur Aufgabenstellung passt, die vor 40 Jahren fixiert wurde.

Ist dies auch als Abgrenzung zum BAK zu verstehen?

Knüsel: Das BAK ist sehr viel personenorientierter in seinem Tun. Es unterstützt mit Stipendien und Werkbeiträgen. Kriterien sind Pässe und Wohnorte, weniger die Inhalte. Pro Helvetia denkt über das Produkt, das Werk nach. Velhagen: Bei den visuellen Künsten ist die klare Unterscheidung besonders wichtig. Da haben wir ein Äquivalent in «Kunst und Design» beim BAK. Es macht keinen Sinn, das wir dasselbe machen.

Das BAK macht die grossen, die PH die kleinen Projekte?

Knüsel: Auszeichnungen - dazu gehören auch die Biennalen im Ausland - gehören in die Verantwortung des BAK. PH fördert die Verbreitung. Und das immer in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern. Wir werfen nicht einfach Kunst aus Genf über St. Gallen ab. Es muss vor Ort ein Engagement vorhanden sein. Wir greifen subsidiär ein, aufbauend auf dem Engagement anderer. Die Veranstalter müssen Vor- und Eigenleistungen bringen, damit wir uns einschalten.

Werden die Inhalte von Kunstausstellungen seit der Hirschhorn-Affäre gründlicher begutachtet?

Velhagen: Nein. Skandale sind nicht vorhersehbar. Präventivmassnahmen gibt es nicht. Knüsel: Wir lassen uns nicht einschüchtern. Niemand hatte mit solchen Reaktionen gerechnet. Der Skandal hat alle aus der Reserve geholt, Kultur ist wieder ein Thema. Insofern ist die Million nicht einfach verloren.

Ist die von Bundesrat Pascal Couchepin angekündigte Verstärkung der kulturpädagogischen Vermittlung eine Folge dieser Erkenntnis?

Knüsel: Nein, die Idee, dass das Finanzierungsproblem der Kultur zu lösen wäre, wenn mehr Leute ein Konzert besuchen, ist eine rein ökonomische Überlegung. Ausserdem macht der Kulturminister keine Differenzierungen zwischen traditioneller und zeitgenössischer Kultur. Velhagen: Mit Hirschhorn kam eine neue Dimension. Die Frage ist berechtigt, ob die ganze Kulturszene nicht zu hermetisch ist. Man zelebriert den eigenen Kreis und schliesst viele dabei aus. Knüsel: Da liegt ein Problem: Die Kunstwelten grenzen sich zunehmend ab, ja aus. Jede und jeder definiert sich auch über Kunst, sie ist ein Mittel, um Unterschiede sichtbar zu machen. In der modernen Gesellschaft will niemand sein wie die anderen.

Gehen Sie an alle Eröffnungen der «Echanges»-Ausstellungen?

Knüsel: Es ist die 25. «Echanges»-Ausstellung, und ich bin zum ersten Mal dabei. Velhagen: Wir möchten, dass das Projekt «Echanges» mehr Aufmerksamkeit bekommt. Knüsel: Wir wollen das Gewicht im innerschweizerischen Austausch verstärken. Ein solcher Empfang zu einer Vernissage manifestiert das. Wir wollen die Netzwerke beleben, die Veranstalter stimulieren, damit der Austausch nicht einschläft. Leere Häuser machen nicht nur leere Kassen, sondern nehmen auch die Motivation.

Der Empfang hilft der Institution - aber auch der Pro Helvetia?

Knüsel: Seien wir ehrlich: Das ist eine Power-Promo-Veranstaltung. Nicht nur für Jérémie Gindre, den Projektraum «exex» und «Echanges», sondern auch für die Pro Helvetia. Wir möchten zeigen, was wir fördern. Diese kleinen Projekte sind unser tausendfacher Regelfall, nicht Thomas Hirschhorn in Paris. Das müssen wir nach aussen bringen.

Pro Helvetia, du darfst nicht sterben, schwingt das mit?

Knüsel: Natürlich will ich nicht als Totengräber in die Geschichte von Pro Helvetia eingehen. Die Stiftung hat klare Qualitäten, die das BAK nicht haben kann. Sie agiert näher bei den Künstlern. Wir haben den Spielraum, Autonomie zu leben. Velhagen: Es ist ganz wichtig, dass die Pro Helvetia unabhängig ist von der Politik. Nur so bleibt Kunst glaubwürdig. Knüsel: Meine Vision ist eine stärkere Pro Helvetia. Dazu braucht sie mehr Mittel und mehr Kompetenzen. Konkurrenzierende Institutionen sollten zur Zusammenarbeit mit uns verpflichtet sein. Nur so erlangen wir im Austausch im Inland und mit dem Ausland jene Schlagkraft, mit der wir im Wettbewerb der Nationen bestehen. Velhagen: Gute Kunst ist zwar meistens politisch, aber sie darf nicht für Politik missbraucht werden. Es ist die grosse Stärke der Pro Helvetia, dass sie unabhängig und autonom ist, das gibt ihr Glaubwürdigkeit.

 

Aus dem ST.GALLER TAGBLATT vom Dienstag, 8. März 2005