pool position #01.

ursula badrutt schoch. touch and go.
drei mal schenker, drei mal anders: von der zeichnung zur performance.

Im Projektraum exex der visarte.ost steht ein roh gezimmertes Materialgestell. Darin stecken starke Schenker-Arbeiten. Einige davon werden in der dreimal wechselnden Ausstellung vorgestellt.

Langsam bewegt sich der Kopf hin und her, die Haare fliegen, die Bewegung schluckt die Sch�rfe, das Gesicht der Frau verliert sich im Taumel. Eine zehnmin�tige Filmsequenz hat Anina Schenker, kopfsch�ttelnd, in einen Loop von einer Stunde Dauer gedehnt. Die gedrosselte Zeit wirkt sich in der Wahrnehmung des Bildes auf die Verselbst�ndigung der Bewegung aus. In der Verz�gerung scheint sich die Haut vom K�rper zu l�sen. Der Monitor mit «Slow 1 loop» steht auf der Packkiste, bereit, jederzeit wieder zu verschwinden und anderen Arbeiten Platz zu machen. Zuvor war es die vierteilige Videoskulptur «Living in a Box», die den eingezw�ngten K�rper zwischen f�taler Geborgenheit und t�dlicher Enge erfahren liess. Eine Fotografie erz�hlt von «Another bad moment», als die K�nstlerin trampolinspringend Bilder der Deformation ihrem K�rper entlockte.

 

Geburt und Tod

Morgen wird im exex f�r «1+1+1+» Platz gemacht: 230 Portr�ts der ersten 30 Lebensjahre hat die 1971 geborene St.Galler K�nstlerin von bestehenden Fotografien ihrer Person abgefilmt und zum bewegten Ablauf von k�rperlichen Ver�nderungen gef�gt. Die den fr�hen Videoperformances von Bruce Nauman nahe stehenden Arbeiten von Anina Schenker fokussieren sowohl unspektakul�re k�rperliche Bet�tigungen wie auch extreme Verausgabung - etwa wenn sie leicht bekleidet bei minus 25 Grad Celcius ausharrt. Fast wie ein Traumbild in der Erfahrungsverarbeitung macht sich da die grosse rosa Geb�rmutter-Wolke von Lucie Schenker (geb. 1943) im Raum schwebend aus. Die aus Plastikfolie geschweisste transparente Skulptur bildet zusammen mit den signalgelben Schriftkringel kr�ftige Augenattraktionen. Sinnig und innig korrespondiert «en rose» mit den «Touch and go»-Bl�ttern von Katja Schenker. Was hier auf den ersten Blick als zur�ckhaltende Zeichnungen daherkommt, steht in enger Beziehung zu ihren Performances.

 

Laden-Entladen

Auch Katja Schenker (geb. 1968) setzt wie ihre Schwester den eigenen K�rper f�r die k�nstlerischen Erkundungen ein. Die Farbstiftzeichnungen entstehen als eine Art publikumslose Performance auf dem Boden. «Es ist eine Energieentladung, der ein meditativer Akt vorausgeht», betont sie. Das Papier und seine Parameter werden wie ein Raumgef�hl dem K�rper einverleibt, der sich anschliessend mit raschen Kreisbewegungen im Bildraum aussch�ttet, artikuliert. Sobald der Stift die Grenzen des Bildtr�gers �berschreitet, ist der Zeichnungsakt beendet, «touch and go» eben. «Es geht darum, Bedingungen als Realit�t zu erkennen und Empfindungen als Energie im Raum sichtbar zu machen», so die K�nstlerin. Auch die Gouache-Arbeiten und Fotografien von Katja Schenker haben viel mit Raum-Einverleiben und Energie-Entladen zu tun. Sie umfangen die Betrachter und �ffnen R�ume zum Versinken.

 

Seelenleben

Raum und K�rper und die daraus resultierenden Erfahrungen sind in den eigentlichen Performances von Katja Schenker die zentralen Bestandteile. Dazu kommen Materialien wie Stoffe, Wolle, Glas, die sie in aufw�ndigen, zum Teil tagelangen Vorbereitungsphasen, pr�pariert. Sie wickelt Wollf�den um ihre Knie, 60 kg Material, das an ihrem K�rper lastet und die Bewegung blockiert. 30 Minuten dauert das Aufschneiden, ein bunter Riesenpompom wird geboren. Jetzt lagert er im exex-Gestell, zusammen mit Glasscherben, �berreste von jenem Glashaus, das sie einst�rzen liess. Ihren Performances gemeinsam ist ein hoher �sthetischer Formwille, der durch Abtasten der eigenen physischen und psychischen Grenzen in einem Kraftakt Ver�nderungsprozessen ausgesetzt wird. Zum kr�nenden Abschluss der «pool position #01» wird Katja Schenker die Performance «stopfen» zeigen. Morgen wechselt die Pr�sentation von Schenker, Schenker und Schenker - es wird umgeh�ngt, neu positioniert, experimentiert. Die Schaufenster am Oberen Graben erm�glichen der «Familienausstellung» ein «Touch and go». F�r die Donnerstags-Veranstaltungen aber gilt: Come and stay.

 

ST.GALLER TAGBLATT vom Mittwoch, 5. Februar 2003.

 

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