pool position #02.

Kaspar Surber. Beim Wortwerker.

Nach der Familie Schenker hat Wortkünstler Matthias Kuhn für den März und den April den Projektraum exex bezogen, um an seiner Vorstellung von file sharing zu arbeiten. Seither dringen seltsame Geräusche ans Ohr der Saitenredaktion, welche ihr Büro im Nebenraum hat. Grund genug, für einmal Baustellenhören statt Baustellengucken zu betreiben und Wortwerker Kuhn im E-Mail-Pingpong um die Ecke ein paar Fragen zum Lärm zu stellen.

 

Ping #01

Ganz am Anfang hast Du an einem Nachmittag im obern Stock, direkt über meinem Kopf, einen kolossalen Lärm veranstaltet, da müssen gehörig Späne geflogen sein. Auch hörte ich Dich Kisten schleppen und etwas an der Wand montieren. Was genau ist da vor sich gegangen?

 

Pong #01

Arbeiten macht Lärm. Das ist so, egal ob auf der Baustelle oder im wortwerk. Und da im oberen Stock sind tatsächlich die Fetzen geflogen. Wir mussten mit einer Fräse ein paar Tischplatten zuschneiden. Später habe ich einen Teil meiner Arbeitsbibliothek angeschleppt, bisschen Mobiliar und Geräte. Muss schliesslich eingerichtet sein zum Arbeiten. Und dann habe ich das Fricker-Schild «Ort der Lüge» montiert. Ein Schild, das schon seit langer Zeit an meinen jeweiligen Arbeitsplätzen hängt. Aber das wäre eine andere Diskussion: Was es auf sich hat mit Lüge und Wahrheit. Die Situation im wortwerk hat sich jetzt aber beruhigt, oder nicht?

 

Ping #02

Ja, stimmt, es ist ruhig geworden. Nurmehr Tippgeräusche sind zu hören. Arbeitet sie tatsächlich so leise, die Fabrik, die sich wortwerk nennt? Und was produziert sie überhaupt?

 

Pong #02

Im Prinzip macht schreiben keinen Lärm, und sprechen nur wenig. Das sind auch die hauptsächlichen Tätigkeiten im aktuellen wortwerk-Projekt. Allgemein könnte man sagen: Das wortwerk produziert Text, so einfach ist das, Text der nachher im Netz zur Verfügung steht. Die Projekte des wortwerks gehen verschiedenen Fragen nach: In file sharing ist es die Frage nach künstlerischen Strategien. Mich interessiert, was dahinter steckt, dass immer mehr interessante und innovative Projekte ausserhalb des Kunstkontexts realisiert werden. Ich frage mich, wie es sich in diesem Zusammenhang mit der Rolle des Künstlers und der Künstlerin verhält. Um in diesen Fragen Antworten zu erhalten, lade ich verschiedene Leute zur Diskussion ein. Wir werden keine Antwort finden, soviel ist klar: Aber mit all diesen Versuchen Antworten zu finden, wird sich das Thema langsam einkreisen lassen.

 

Ping #03

Das konspirative Gemurmel hinterm Eck und das vermehrte Schnarren der Kaffeemaschine ist mir in den letzten Tagen auch aufgefallen. Wen hast Du den bis anhin empfangen? Und was genau habt ihr besprochen?

 

Pong #03

Bis anhin hatte ich Hildegard Spielhofer aus Basel und Kurt Schmid aus Kreuzlingen zu Gast. Die Abschriften ihrer Gespräche werden nächstens in der Dokumentation auf wortwerk.ch/file_sharing abgelegt. Dann war noch Christof Salzmann da, zu einer Vorbesprechung, und eben vorhin, Samstag Nachmittag, der erste spontane Gast. Zu einer Tasse (kalten) Kaffee waren wir ziemlich schnell im Gespräch. Ausserdem sitze ich heute mit Christoph Bischof an der Arbeit an unserem gemeinsamen Projekt «Stadtarchiv St.Györ». Es geht dabei um die Archivierung von völlig disparatem Material zur Geschichte der Stadt St. Györ, einer Stadt in der westlichen Puszta. Interessant und sehr anregend war auch das Gespräch mit Kurt Schmid. Er hat in einer These, die er zum file sharing mitbrachte, formuliert: «Nach dem Verblassen der real existierenden «modernen Kunst« in der Postmoderne und angesichts der Herausforderung durch Multimedia herrscht im Kunstbetrieb - immer noch! - Verlegenheit.» Das hat doch einiges zu reden gegeben.

 

Ping #04

Gut, das bringt mich jetzt etwas in Verlegenheit… Du hast vorhin geschrieben, dass Du auch normale Gäste von der Strasse empfängst. Auch sind letzthin, als ich spätabends noch arbeitete, plötzlich Filmmusik und lautes Gelächter erschallt. Wie wichtig ist die Öffentlichkeit für das file sharing und wie beziehst Du sie ins Projekt ein?

 

Pong #04

Ja, die Öffentlichkeit … Das Problem ist, dass das Publikum weiss, wie es zum Beispiel Ausstellungen mit vielen bunten Werken anschauen muss. Beim file sharing ist das nicht so einfach, weil man nichts sieht. Jemand der sich für das Projekt interessiert, muss sich also Zeit nehmen, muss sich hinzusetzen und eine Frage zu stellen. Ich kann dann etwas erzählen und ebenfalls eine Frage stellen. Und so kann man ins Gespräch kommen: Das ist die einzige taugliche Möglichkeit, file sharing zu rezipieren. Eben war wieder ein unangemeldeter Gast da. Wir haben uns bestens unterhalten und schon das nächste Treffen abgemacht. Diese Gespräche schätze ich sehr. Leute, die von der Strasse reinkommen und eine Fragen stellen, die sind grundsätzlich interessiert. Was will man mehr? Auf der andern Seite ist das Projekt auch von einer Reihe von Veranstaltungen begleitet: Projektpräsentationen (es geht um Kunst, Musik, Literatur…), Leseperformances, Vorträge und so weiter. Vielleicht ziehen die Veranstaltungen wieder anderes Publikum an und erleichtern den Einstieg … Ich warte es gespannt ab!

 

Kulturmagazin Saiten, Baustellengucken vom April 2003.

 

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