pool position #03.

Ursula Badrutt Schoch. Hassliebe, liebevoll.
Im Projektraum exex der visarte.ost können verlorene winner (wieder) gefunden werden.

«Come back» heisst die dritte Pool-Position im Projektraum exex. Das Ausstellungsthema «Come back» tönt nach Bitte und Befehl, ist aber mehr Sehnsucht als Tatsache. Gestartet wird mit dem Duo Treuthardt/Gann.

Wer kommt nicht gern als Star aus der weiten Welt in die enge Heimat zurück! Ironisch und sentimental gedenkt die Ostschweiz ihrer verlorenen Söhne und Töchter - so suggeriert es die von Treuthardt/Gann entworfene Einladungskarte zur neu gestarteten exex-Ausstellung - und holt sie, die auswärts Erfolgreichen, an die Mutterbrust zurück. Dass die von Marianne Rinderknecht und Anita Zimmermann eingeladenen Künstlerinnen und Künstler trotz Lob und Preis noch kaum vor Ort wahrgenommen werden konnten, weil die Gelegenheit zu Ausstellungen fehlte, stellt das «Come back» allerdings auf wackelige Fundamente.

Viel eher geht es um Neuentdeckungen von Leuten, die ihre Wurzeln geburtshalber ostwärts pflanzten und ausbildungshalber im jugendlichen Alter auszogen, das Handwerk, sprich die Kunst, zu lernen. Neben Micha Treuthardt aus Kreuzlingen und Cornelia Gann aus Wittenbach sind dies in vierzehntägigem Wechsel Luzia Broger, Pascale Grau und Emanuel Geisser.

 

Überlappen

Besondere Beachtung erhalten in der staffettenartigen Ausstellungsreihe die Schnittstellen, die zu eigentlichen Begegnungen, nicht nur zwischen den verschiedenen Kunstschaffenden und ihren raumbezogenen Arbeiten, sondern auch zwischen dem Publikum und den Gefeierten werden. Mit einem Hotelzimmer im Ulmberg ob Ermatingen und mit «passform» in Ittingen hatten Treuthardt/Gann schon auf sich aufmerksam gemacht.

 

Kippen

Für Micha Treuthardt (geb. 1972) und Cornelia Gann (geb. 1973) bedeutet «come back» «think back». Zurückdenken an die Zeit im geschützten Elternhaus, im Kinderzimmer. Dorthin, wo die vermeintliche Sorglosigkeit der Kinder in Schreckensvisionen zerstörter Idyllen kippen kann. Sie haben sich für Schönmalerei im eigentlichen Sinn entschieden: Ein Gemälde mit Hügel, Haus und Auto hängt im Raum und gibt morgendlich munterem Vogelgezwitscher, Bachgeplätscher, manchmal Kirchturmgebimmel eine sichtlich harmlose Kulisse ab. Ein Bänklein ladet zum Verweilen ein.

 

Flüchten

Etwas leichenblass grau ist die Malerei schon. Die Modelleisenbahn von damals hat Staub angesetzt. Die Tännlein stehen windschief und brüchig am Abgrund. Aber als Dorn im Auge ist die Erinnerung an Vaters eitle Freude, die Cornelia Gann einst ungefragt ins Kinderzimmer gepflanzt wurde und dort noch immer anzutreffen ist, noch taufrisch. Ein Dorn im Auge kann die Augen öffnen - und Anstacheln zu neuen Wahrnehmungserfahrungen. Idyllen - ob jene in der Modelleisenbahn oder im realen Leben vorgegaukelte - sind ihr seither verdächtig. Ihre Hassliebe zur Modelleisenbahn ist Sinnbild für ihr Verhältnis zur Ostschweiz. Zurückkehren und bleiben, nein, das wollen beide nicht. In Zürichs Anonymität fühlen sie sich wohl. Mit «Come back home» befragen Treuthardt/Gann nicht nur die persönliche Erinnerung, sondern allgemein gültige Wertvorstellungen. Solche haben sie an der Eröffnungsaktion vom Publikum formulieren lassen und auf Plastiksäcke gedruckt. Für nur 3 Franken. Zum Mitnehmen, Brauchen und Wegwerfen.

 

ST.GALLER TAGBLATT vom Mittwoch, 7. Mai 2003.

 

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