pool position #03.

Ursula Badrutt Schoch. Appenzeller Space.
Luzia Broger hängt den Säntis in den exex-Raum.

Die Ausstellungsreihe «Come back» im Projektraum exex geht in die zweite Runde. Die Appenzellerin Luzia Broger zeigt die aus drei Teilen montierte Installation «Hitz ond Brand». Eine Klima-Geschichte.

Etwas Wichtiges in «Come back» sind die Schnittstellen, der Moment, wo eine Ausstellung die andere ablöst, wo Werk und Künstler und Publikum und Räume zusammentreffen, wo Zentrum und Peripherie eins sind, wo zwischen Tür und Angel Wesentliches entsteht. Hier zeigt sich der Projektraum als wahrer Off-Raum, weil das offene Konzept durch Unvorhergesehenes und Improvisiertes evident bereichert werden kann, weil wenig Infrastruktur und viel Engagement alles Starre beseitigen.

 

Topos Landschaft

Die Malerei als Rest der Rauminstallation von Treuthardt/Gann offeriert einen sinnigen Einstieg: die Landschaft als Topos, als Gefäss für allerlei Wünsche und Klischees. Die Erinnerung an die Herkunft, die der «Come back»-Reihe als verbindende Idee zu Grunde liegt, scheint im Thema Landschaft eine Konstante herauszufiltrieren. Während aber Micha Treuthardt und Cornelia Gann von Hassliebe sprechen und die Ambiva-lenz thematisieren, zeigt Luzia Broger ein Bild von geheimnisvollem Stolz und spritzigem Humor. Im besten Sinne abgehoben und eigenartig mutet die Landschaft an. Wie aus einer anderen Welt. Da liegen ordentlich verteilt Kuhfladen mit Antennen herum, ein Schwammgebilde verströmt Duftdampf und saugt sich selber auf, eine Flotte kühlen Neonlichts strahlt hinter einem Hauch von Plastikfolie. Der Raum wird in ein Klima gleissender Vibration getaucht, heiss und kalt zugleich. Die Zeit geht anders hier. Die Installation «Hitz ond Brand» ist ein überzeugender Beitrag in der künstlerischen Forschung über die Gleichzeitigkeit des anderen, über das Phänomen paralleler Wirklichkeiten und fügt sich konsequent in frühere Arbeiten der Künstlerin wie «now or never», «Juhee» oder «föchelig schö» ein.

 

Geheimkunst

«Allal», «Flade» und «Säntis» heisst das Dreigestirn, das «Hitz ond Brand» ausmacht, das sprachlich einigermassen deutlich in den Kosmos um den Ostschweizer Hausberg weist und folglich nicht allseits leicht verstanden wird. Um leichte Verständlichkeit gehts denn auch nicht, mehr um Atmosphären statt Erklären. Innerrhodisches tritt als aussersphärisches Kommunizieren auf, Senden und Empfangen macht der Bauch - oder eben gar der «Flade». Dass die Bezeichnung «Hitz ond Brand» ausserhalb der Inneren Rhoden auf Unverständnis stösst, ist bezeichnend für die Angelegenheit. Nicht Feuersbrunst, nicht Familiennamen sind gemeint. «För Hitz ond Brand tue» heisst es, wenn von Heiltätigen und Gesundbetenden die Rede ist. Roland Inauen, Volkskundler und Konservator am Museum Appenzell, spricht von «medizinischer Subkultur», von einer «Geheimkunst», einem Phänomen, das der Öffentlichkeit weit gehend entzogen ist, weil weder Bewilligungen nötig sind noch Rechnung gestellt werden darf und somit alle Schriftlichkeit fehlt. Eine Angelegenheit des Untergrundes von himmlischem Ausmass, die bis heute erfolgreich praktiziert wird. Nicht wenige Geschichten beginnen schon bald im exex-Raum zu kursieren. Fast alle wissen von einer verblüffenden Genesung und erstaunlichen Problemlösung.

 

Heim- und Fernweh

Eine einzigartige Spezialität der Innerrhoder Gebetsheilung ist das Heimweh. Gut möglich, dass die 1972 in Appenzell geborene Luzia Broger, die bei Stefan Rohner und Jean-Pascal Imsand zur Fotografin ausgebildet wurde und seit 2000 an der Hochschule für Kunst und Gestaltung in Zürich studiert, auch von den unsichtbaren Kräften Gebrauch macht. Da geben Wodka und Polka und Borschtsch, wie sie als hand- und bauchfeste Schnittstelle zwischen Heim- und Fernweh an der Eröffnung geboten wurden, schon fast wieder Boden unter den Füssen im Projektraum.

 

ST.GALLER TAGBLATT vom Mittwoch, 21. Mai 2003.

 

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bild: hannes thalmann.