pool position #03.

Ursula Badrutt Schoch. Landschaft zum Dreinbeissen.
Pascale Grau berichtet im exex aus Palermo und von gr�nem Gras.

Die dritte Position nach Treuthardt/Gann und Luzia Broger besetzt in der Reihe «Come back» im exex die in St. Gallen aufgewachsene und heute in Basel lebende K�nstlerin Pascale Grau.

Zu viel Klee verursacht D�nnpfiff. Das weiss jede Kuh. Die Frau, die vor blaustem Himmel Klee um Klee abbeisst und gen�sslich verschlingt, scheint das nicht zu k�mmern. Gesund und kr�ftig sieht sie aus. Die Soundspur zum Fressen ist knackig und von unersch�tterlicher Eindringlichkeit. Hinweis auf das zukunftsnahe Malheur geben h�chstens die Fladen im Vordergrund. Doch deren Antennen verlegen die ganze Szene auf einen anderen, metaphorischen, Planeten. Denn kleefressende Frauen sind auch in der Ostschweizer Frischluft ebenso selten wie Transistormist und nur im Projektraum exex w�hrend der 3. Schnittstelle zum Thema «Come back» anzutreffen. Luzia Broger und Pascale Grau geben sich hier mit der Arbeit «Ins Gras beissen» und «Flade» die Hand und verbinden ihr je eigenes Schaffen durch ein verbl�ffendes und witziges Überlappen.

 

Strauss und Nisple im Gespr�ch

Das Thema der Schnittstelle, das der Ausstellungsreihe unterlegt ist und Fragen nach Überschneidungen und Ber�hrungspunkten innerhalb verschiedener und zuf�llig aufeinander stossender Werke stellt, soll denn auch nicht �berstrapaziert werden. Reizvoll, weil durch den Verzicht auf einen cleanen Ausstellungsraum situationistisch Kollaborationen generiert werden, ist das Schnittstellen-Thema dennoch auch in Details wie Kleefrass und Kuhpfl�tter. «Der Begriff Schnittstelle ist zu einem Unwort geworden», beginnt Dorothea Strauss das Kreuzgespr�ch mit Agathe Nisple und den beiden K�nstlerinnen Suppe essend. «Wir brauchen es dauernd, ohne genau zu wissen, was wir damit eigentlich meinen.» Dabei stand die vorausgehende performative Life-Schnittstelle im Vordergrund: Pascale Grau liess sehnsuchtsvoll aufgeladene Erinnerungsbilder �ber eine Projektionsfl�che gleiten und Luzia Broger legte dazu passende Singles auf von «Mami und Papi» �ber «Wake up and make love with me» bis zu «Pass away». Eine effektvolle und stellenweise zu offensichtlich in Sentimentalit�ten abrutschende Projektionsfl�che f�r individuell aufgeladene Geschichten.

 

Einige Bosheiten

«Mich beeindruckt immer wieder, mit welcher Offenheit und Freiheit K�nstler ihre Ideen umsetzen», staunt Agathe Nisple und l�sst einen kritischen Unterton mitschwingen. Und die Direktorin des Freiburger Kunstvereins und ehemalige Leiterin der St. Galler Kunsthalle r�t zum Abschluss: «Ihr m�sst b�ser werden in eurer k�nstlerischen Arbeitsweise.» «Ins Gras beissen» birgt schon einiges an sch�nen B�sheiten. Obwohl der Titel an Tod und Sterben denken l�sst, versinnbildlicht die Arbeit animalische Lebendigkeit und Durchhaltewillen. Dieser unerwartete Bruch zwischen Titel und Bild ergibt eine Spannung, die es auszuhalten gilt. Pascale Grau arbeitet mit Bildern, wie wir sie in Tr�umen antreffen. Die gr�nen saftigen Wiesen rund um St.�Gallen haben in ihrem «Come back» wohl ein Kindheitserinnerungen ausl�sendes Potenzial. Hineinbeissen in die Ablagerungen der Erinnerung und Verarbeiten der Erfahrungen, das kann schon hin und wieder Bauchweh bis Durchfall geben.

 

Sch�nster Tag

«Mir geht es nicht um irgendwelche Selbsterfahrungen», betont die bei der Performerin Marina Abramovic ausgebildete Pascale Grau (geb. 1960), die oft mit Verausgabung und Grenzerfahrung arbeitet. «Wichtig sind mir die Bilder, die entstehen.» Und diese versteht sie durch Inszenierungen wie in «Palermo» geschickt zu potenzieren. Ein Fotoshooting am Strand vom sch�nsten Tag im Leben wird zum Gockelrennen. Wer posiert f�r wen? Das Licht ist fahl, die Plastikst�hle sind gestapelt, abgek�hlte Stimmung. Die sch�ne Zeit ist vorbei, die Erinnerungsbilder verblassen, langweilen, nerven. Wir spazieren durch die kinogrosse und stubenkleine Projektionslandschaft. Die Verdoppelung und Verdreifachung der begehbaren Hochzeitslandschaft, zu der sich ganz fies auch die Grasbeisserin gesellt, machen die Braut ebenso wie ihre Fotografen, aber auch das Publikum im exex-Raum zum Subjekt unterschiedlicher Realit�ts- und Zeitebenen und den Hafen der Ehe zur surrealen Sehnsuchtparodie.

 

ST.GALLER TAGBLATT vom Mittwoch, 3. Juni 2003.

 

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bild: trix heberlein.