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exex_2005/exex.change nr. 4

aleksandra signer. ohne titel, 2005

die in polen geborene und in st. gallen lebende künstlerin aleksandra signer arbeitet im bereich videokunst und ist bekannt für ihre filmische und photografische dokumentation der ephemeren ereignisskulpturen des künstlers und lebenspartners roman signer. ihre arbeiten zeichnen sich durch einen geschärften blick fürs aussergewöhnliche im alltäglichen aus. durch prägnante bildauswahl und leichtfüssige inszenierungen versteht es die künstlerin, in ihren arbeiten gefundenen alltagsszenen metaphernreiche präsenz zu verleihen.

im projektraum exex ist eine neue arbeit entstanden. eingetaucht in dunkelheit, offenbaren am boden projizierte lichtpunkte ein an die laterna magica erinnerndes lichtspielspektakel. assoziationen mit der ersten illusionsmaschine – der zauberlaterne – werden wach, inszeniert doch die künstlerin eine art lichtspieltheater, das den betrachter in die aktive rolle eines geschichtenerzählers versetzt.

19 handelsübliche taschenlampen, von der decke herabhängend, projizieren die auf transparenten kunststofffolien gedruckten zeichnungen auf den boden. die einfachen, mit schwarzem filzstift in schnellem und präzisem strich gezeichneten bilder sind dem alltag entnommen: eine sich kämmende frau bei der morgentoilette vor dem spiegel, ein zeitungslesender mann im zug, ein mit einer pistole schiessenden räuber aus einem kriminalfilm, menschen in hochwasser watend, ein wohnhaus in einem überflutetem gebiet… private wie auch medial vermittelte bilder vermischen sich in den aus der erinnerung gezeichneten szenen. entstanden ist eine lose bildergeschichte aus festgehaltenen momenten des alltags, eine bildergeschichte aus dem kollektiven gedächtnis, einem filmischen storyboard gleich zu einem drehbuch des lebens zusammengestellt.

das optische instrument erlaubt es dem betrachter die bilder wie mit einem zoom vergrössert, an die wand oder an die decke zu „werfen“. die abbildungsgrösse der bilder verändert sich je nach entfernung der projektion zur wand oder zur decke. die zeichnungen verbinden sich mit dem architektonischen raum und werden so für den betrachter erfahrbar.

die populäre projektionskunst der zauberlaterne findet ihren ursprung im 17. jahrhundert. schausteller zogen mit dem neuen projektionsapparat durchs land, erzählten geschichten und berichteten über neuigkeiten und sensationen. die laterna magica wurde nicht nur als unterhaltungsmedium sondern auch als religiöses oder politisches propagandainstrument benutzt und zur populären wissensvermittlung eingesetzt.

die optische wahrnehmung spielt eine wichtige rolle bei der erfahrung der welt. in den motiven der laternenbilder des 17. und 18. jahrhunderts spiegelten sich weltbild und denkformen der zeit. religiöse themen und abbildungen des bösen standen ebenso im vordergrund wie die darstellung von phantasmen.

nicht auf attraktion sind die lichtbilder von aleksandra signer angelegt, vielmehr werden die eigenen bilder und geschichten des betrachters ins zentrum gerückt und die subjektive erfahrungen mit den gezeichneten motiven in verbindung gebracht. der eigene film entsteht im kopf des betrachters.

licht und schatten und ihre faszinierenden effekte und erscheinungen sind übergeordnete themen, die die künstlerin interessieren und ihre phantasie anregen. es sind unbeachtete, vergängliche phänomene des alltags, die in ihren arbeiten eine bühne erhalten und für die dauer einer ausstellung bedeutend werden.
nadia veronese

 

weitere informationen
> christina weder. den sternenhimmel zu füssen

 

 

 

aleksandra signer. ohne titel, 2005
verschiedene materialien, installationsansicht und detail